D'Ruth Licht vo Arosa
Ruth lebt seit 1928 in Arosa. Trotz ihrem Geburtsort Glarus, ist sie eine richtige und waschechte Uraroser Bürgerin. Um ehrlich zu sein, mehr Aroserin als in ihr, steckt wohl nicht in vielen. Sie lebt nicht nur fast ihr ganzes Leben schon an diesem wundervollen Ort, nein, Ruth verkörpert dieses magische Bergdorf schlechthin. Lauscht man ihren Erzählungen, fühlt man sich als Zuhörer in die Vergangenheit zurückversetzt. So echt und nah, dass man das Gefühl hat, kurze Zeit darin gelebt zu haben.
Ruth’s Vater, Jakob Licht kam 1910 von Deutschland nach Arosa, wo er als Architekt Arbeit fand. 1914 heiratete er und gründete eine Familie. Die ersten beiden Töchter wurden in Arosa geboren, bevor die Familie berufsbedingt nach Glarus zog. Immer mit im Gepäck das Arosa-Heimweh. 1928 kehrte Familie Licht, nun auch noch mit der 5-jährigen Ruth, zurück nach Arosa. In Arosa kauften sie das «Haus am See», welches heute noch steht. Damals diente es allerdings nicht nur als Eigenheim, sondern auch als Feriendomizil für Gäste. Während Ruth’s Vater 1929 sein eigenes Architekturbüro gründete, führte Mutter Hedwig mit viel Herzblut die Pension mit Blick auf den Untersee. Für Ruth begann die Geschichte einer schönen Kindheit und eines spannenden Lebenslaufs.
Ruth sitzt auf der alten Eckbank am Fenster in der Stube des Heimatmuseums Schanfigg. Eine alte Holzräderuhr an der Wand erinnert an die Vergänglichkeit der Zeit. Zahlreiche Gebrauchsgegenstände im bald 460 Jahre alten Walserhaus sind Zeugen der Kulturgeschichte der Talschaft Schanfigg, der Besiedlung durch die Walser und des Aufstiegs des Bergbauerndorfs zum Weltkurort. Die 95-jährige ist all dem eng verbunden und weiss vieles darüber zu berichten.
Im Zentrum ihres Lebens standen stets zwei Dinge: später die Liebe zur Fotografie, schon früh aber die Begeisterung, Wissenswertes über die Geschichte von Arosa zu vermitteln. Ihren ersten Vortrag über das Bergkirchli beispielsweise, hielt Ruth bereits in der Sekundarschule und sie entdeckte schnell ihr Flair dafür, Mitmenschen für Geschichte zu begeistern. Nach Beendigung der Sekundarschule in Arosa und einem Welschlandaufenthalt, begann sie 1942 die Ausbildung als Fotografin beim renommierten Aroser Fotografen Carl Franz Julius Brandt. Zu dieser Zeit war das für eine Frau beinahe revolutionär, denn das Berufsfeld der Fotografie besetzten damals vorwiegend Männer.
1946 schloss Ruth ihre Lehre erfolgreich ab und zwei Jahre später fotografierte sie an der Olympiade in St. Moritz als so genannte Strassenfotografin. Tagsüber sprach sie die Leute auf der Strasse an und bot ihnen ein Foto als Andenken – Instagramstories von damals, nur mit sehr viel mehr Aufwand verbunden als heute – abends wurden die Filme im Labor entwickelt und am nächsten Tag schnellstmöglich ausgeliefert. Auf St. Moritz folgten Stationen in Basel, Weggis, Solothurn und Milano Marittima bevor Sie dann 1956 nach Arosa und zu Foto Brandt zurückkehrte.
Als Fotografin erzählt Sie, ist man nicht nur dabei, sondern mittendrinn im Geschehen. So auch an den glanzvollen Gala Abenden im Tschuggen Hotel. Dort nämlich kamen ihr prominente Persönlichkeiten wie Josephine Baker und Lionel Hampton vor die Linse. Ruth fotografierte aber auch an Sport- und Vereinsanlässen. Sie liess kaum ein wichtiges Ereignis in Arosa aus, so auch nicht der Bau der Weisshornbahn.
Auch war die Welt nie zu gross, um die Schönheit dieser einzufangen. Nach viel Arbeit in der Dunkelkammer zog es die junge Fotografin jeweils in die Ferne. «Eine wunderbare Erholung für mich, ein Paradies!», schwärmt Ruth Licht. So war ihr kein Weg zu weit. Atemberaubend schöne Fotografien aus Europa, Südamerika, Südafrika und Thailand bebildern ihre bewegte Geschichte.
Die Freiheit und die stetige Bereitschaft der berufstätigen Fotografin hatte aber auch ihren Preis. Ruth blieb alleinstehend. Keine ganz einfache Situation als Frau anno dazumal. «Ledige Frauen», wie Sie erzählt, wurden zu dieser Zeit von der Gesellschaft nicht wahrgenommen. Für Ruth Ansporn genug, sich als Mitbegründerin des «Kreises der Berufstätigen» dafür einzusetzen, dass die Bedeutung von ledigen Frauen für das gesellschaftliche Leben, nicht ohne Wert ist. Vor allem ledige Berufstätige, spannende Frauen schlossen sich diesem an. Gemeinsam gestalteten sie ein Programm gemischt aus Kunst, Kultur und Kulinarik. Beispielsweise zauberten begnadete Köchinnen schmackhafte Gerichte aus der Region. Daraus entstand dann auch die Idee, des «z'Maränd» – der Mittagstisch für alle. Noch heute trifft man sich einmal im Monat, um gemeinsam zu speisen und sich auszutauschen. Ruth selbst präsentierte in diesem Rahmen ihre Dia-Vorträge, auf welche später Arosa Tourismus aufmerksam wurde.
Nebst ihrer Aufgabe als Kuratorin im Heimatmuseum hielt sie bis vor kurzem noch regelmässig ihre Vorträge für den Kulturkreis. Mit ihrer Arbeit, den Exkursionen und Führungen, trägt Ruth bis heute zur Vermittlung der Geschichte und Kultur Arosas und Graubündens bei. Weiter vermittelt sie jungen Frauen von heute mit ihrem eindrücklichen Werdegang und durch ihr mutiges Wirken in der Gesellschaft, Selbstbestimmung und Stärke. Und nicht zuletzt steht Ruth Licht dafür, mit Überzeugung alles zu erreichen was man will und für sich selbst und die Dinge die man tut einzustehen.
Ruth Licht's Erlebnistipp:
Besuchen Sie das Heimatmuseum Schanfigg und tauchen Sie ein, in vergangene Zeiten. Mit etwas Glück treffen Sie Ruth im Museum auf der alten Eckbank am Fenster sitzend und horchen ihren Erzählungen von damals. Mehr zum Heimatmuseum erfahren Sie hier.
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